Jacques Lacan Las Meninas
Online-Seminar von Rolf Nemitz
Zoom-Veranstaltung
14-tägig
20.Oktober 2021 - 9. Juli 2022
Angestoßen durch Foucaults Analyse von Las meninas in Die Ordnung der Dinge hielt der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan 1966 vier Vorlesungen über dieses Bild; in einer der Sitzungen saß Foucault unter den Zuhörern. In einer Reihe von Zoom-Vorträgen bahnt Rolf Nemitz einen Zugang zu Lacans schwierigem Text.
Eine Übersetzung von Lacans Las-Meninas-Vorlesungen findet man hier: lacan-entziffern.de/category/las-meninas-vorlesungen.
1 Die Struktur des Phantasmas und das Skopische Objekt A
In Seminar 13, Das Objekt der Psychoanalyse (1965/66), spricht Lacan vier Sitzungen lang über eines der berühmtesten Gemälde der Kunstgeschichte, über Las meninas (Die Hoffräulein) von Diego Velázquez. Es ist die ausführlichste Analyse eines einzelnen Bildes, die es von ihm gibt. Diese Online-Veranstaltung soll einen Zugang zu Lacans schwieriger Bildanalyse bahnen.
Bei diesem ersten Treffen geht es um die Formel für die Struktur des Phantasmas, $◊a, um die Neubestimmung des Objekts a als Partialobjekt und um die Einführung des (später als „Blick“ bezeichneten) skopischen Objekts in Seminar 10, Die Angst (1962/63).
2 Die Spaltung von Auge und Blick
In Seminar 11, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964), beschreibt Lacan die Spaltung im Feld des Sehens durch die Unterscheidung zwischen „Auge“ und „Blick“ und illustriert sie durch ein Schema mit zwei getrennten Dreiecken.
3 Die Verschränkung von Auge und Blick und die Sublimierung
Auge und Blick sind nicht nur getrennt, sondern auch verschränkt. Lacan veranschaulicht das durch ein Schema mit zwei ineinander geschobenen Dreiecken und durch den Satz der Sublimierung: „Du willst also blicken? Na gut, dann sieh das!“
4 Der Blick als Symbol der Kastration
Der Blick ist ein Symbol der Kastration. Wie ist das möglich? Weil das Auge von einer ähnlichen Dialektik erfasst ist wie der Phallus: „Du erblickst mich nie da, wo ich dich sehe.“
5 „Du erblickst mich nie da, wo ich dich sehe“ (I). Einstieg in Lacans Topologie
Das Diktum „Du erblickst mich nie da, wo ich dich sehe“ verweist auf die Heterogenität der Orte des Sehens und des Blickens. Ab Seminar 9, Die Identifizierung (1961/62), beschreibt Lacan den Raum des Unbewussten mithilfe der mathematischen Topologie.
6 „Du erblickst mich nie da, wo ich dich sehe“ (II). Am Beispiel von Chaplins City Lights
Was besagt der Satz „Du erblickst mich nie da, wo ich dich sehe“ aus der Perspektive des Blumenmädchens? Was aus der Perspektive des Tramps? Und wie erscheint im Film die Beziehung zwischen Blick und Kastration?
7 Von der Perspektive zur projektiven Geometrie
In seiner Las-Meninas-Analyse rekonstruiert Lacan die Struktur des skopischen Phantasmas, indem er das Drei-Punkte-Schema der Renaissance-Perspektive (Augpunkt, Fluchtpunkt, Distanzpunkt) aus der euklidischen Geometrie in die projektive Geometrie überführt, d.h. in eine Geometrie der projektiven Ebenen mit Fernpunkten und Ferngeraden.
8 Von der projektiven Ebene zur Kreuzhaube
Eine projektive Ebene ist einer Kreuzhaube äquivalent, sie verbindet die auf Zentralprojektion beruhende perspektivische Darstellung mit der Topologie.
9 Das sehende Subjekt und das blickende Subjekt. Der Mann in der Tür
Im Bereich des Sehens spaltet sich das Subjekt in das sehende Subjekt und das blickende Subjekt. Diese Spaltung entspricht dem Symbol $ in der Formel des Phantasmas.
In Las Meninas ist der Mann in der Tür das sehende Subjekt: Er hat genug gesehen, er geht.
10 Der Blick als Fenster. Velázquez: das blickende Subjekt
Aus dem Augpunkt der Renaissance-Perspektive wird bei Lacan ein Loch in der Ebene des Betrachters, ein „Fenster“; es entspricht dem Blick als Objekt a.
In Las Meninas ist Velázquez das blickende Subjekt: er ist von einem Punkt im Unendlichen zurückgekehrt.
11 Das Übergreifen des Bildes auf die Ebene des Betrachters
In Velázquez’ Gemälde manifestiert sich der Blick als Objekt a in der Beziehung zwischen der Bildebene und der Ebene des Subjekts (des Betrachters): darin, dass das Bild auf die Ebene des Subjekts überzugreifen versucht.
12 Das blinde Sehen des Anderen. Die Spalte der Infantin
Das im Spiegel erscheinende Königspaar repräsentiert den Anderen, der alles sieht, tatsächlich aber nichts sieht.
13 Foucaults Las Meninas
Lacans Las-Meninas-Vorträge wurden angestoßen durch Foucaults Analyse des Gemäldes in Die Ordnung der Dinge. Foucault zufolge ist dieses Bild vielleicht die Repräsentation der Repräsentation, d.h. der für die Epoche der Klassik charakteristischen Episteme. Es bezieht sich auf den leeren Platz vor dem Bild als Platz des Malers, des Modells und des Betrachters und repräsentiert diese drei Instanzen innerhalb des Bildes durch den gemalten Maler, das Königspaar im Spiegel und den Mann in der Tür. Mit der Konstituierung der Humanwissenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird an diesen leeren Platz „der Mensch“ gestellt.
14 Zusammenfassung
1 Die Struktur des Phantasmas allgemein
2 Die Struktur des skopischen Phantasmas
3 Die Struktur des Phantasmas in „Las Meninas“
15 Warum Psychoanalytiker sich mit Lacans Las-Meninas-Analyse befassen sollten
Lacan im Seminar Der psychoanalytische Akt:
Es geht darum, dass der Analytiker „dann, wenn er sich zu einem Fall Fragen stellt, wenn er davon die Anamnese aufnimmt, wenn er den Fall vorbereitet, wenn er sich ihm zu nähern beginnt, dass er also, wenn er mit der Analyse schließlich beginnt, bei diesem Fall in der Geschichte des Subjekts danach sucht – auf dieselbe Weise, wie Velázquez im Bild der Meninas ist –, dass er danach sucht, wo er, der Analytiker, in einem bestimmten Moment und an einem bestimmten Punkt der Geschichte des Subjekts bereits war.“